Die Fähre war voller Menschen. Wellen brachen sich am Bug. Die Sonne hatte Mühe durch die Wolken zu brechen. Schnell zogen sie dahin und kündigten den Herbst an. Die Menschen saßen dicht an dicht und hielten sich fest, so sehr schaukelte das Boot durch die Meerenge, um sie aus dem Gewirr der Stadt zur Ruhe der Inseln zu bringen. Verschwommen tauchte ihre Insel aus dem nasskalten Nebel auf. Es ist schön nach Hause zu kommen, dachte sie und lächelte dabei. Ihr Mann wird am Steg, wie jeden Tag, auf sie warten. Seit Jahren tat er das und jeden Tag freute sie sich neu darüber. Sie konnte fast nicht glauben, dass sie hier schon so lange lebte.
The ferry was crowded. Waves crashed against the bow. The sun struggled to break through the clouds, which raced across the sky, heralding the arrival of autumn. People sat close together, holding on tight as the boat rocked through the strait, carrying them from the city's chaos to the islands' tranquility. Their island emerged from the cold, wet fog, a blurry silhouette. "It's good to be home," she thought, smiling. Her husband would be waiting for her at the pier, like every day. He had done so for years, and every day she felt a renewed joy. She could hardly believe she had lived here for so long.
Frei, Wolken hingen schwer im Himmel. Draußen bimmelte eine Straßenbahn und ließ sie aus der Ruhe schrecken. Ihre kleine Wohnung war sauber und doch chaotisch. Bücher, Romane und Übersetzungshilfen lagen auf dem gefegten Boden. Sauberes Geschirr quoll aus dem Waschbecken ihrer kleinen Küche. Wäsche lag auf dem Bett, frisch gebügelt und zusammengelegt. Niemand beschwerte sich über die Unordnung. Sie war frei. Bilder aus dem Ort ihrer Kindheit hingen schon an der Wand. Fotos der damaligen großen Stadt vom Meer und von der Insel lagen nach auf dem Regal und warteten seit einem Jahr darauf aufgehängt zu werden. Sie hatte ja Zeit. Das Radio spielte Melodien und verbannte die Einsamkeit in die Tiefen ihres Geistes. Tagsüber arbeitete sie als Übersetzerin. Sie konnte sich mittlerweile gut in der Sprache der fremden Arbeiter ausdrücken und sie kannte deren Mentalität. Manchmal nur zeriss es ihr fast das Herz. Irgendetwas hoffte auf ein Wiedersehen und ließ sie, seine Sprache besser sprechen lernen. Doch etwas anderes scheute sich davor und hielt ihr die Vergangenheit und ihre Niederlage vor. Es war besser hier zu sein, bei ihrer Kultur. Hier verstand sie sich besser. Hier war das Alleinsein nicht ganz so schwer. Es klopfte an der Tür oder im Radio.
Free. Heavy clouds hung in the sky. Outside, a tram clanged, startling her from her peace. Her small apartment was clean yet chaotic. Books, novels, and translation aids lay scattered on the swept floor. Clean dishes overflowed from the sink in her tiny kitchen. Laundry lay on the bed, freshly ironed and folded. No one complained about the mess. She was free. Pictures from her childhood town already hung on the wall. Photos of the then-large city by the sea and the island lay on the shelf, waiting to be hung for a year now. She had time, after all. The radio played melodies, banishing loneliness to the depths of her mind. During the day, she worked as a translator. She could now express herself well in the language of the foreign workers and knew their mentality. Sometimes, it almost broke her heart. Something hoped for a reunion and made her learn to speak his language better. But something else was afraid of it and reminded her of the past and her defeat. It was better to be here, with her culture. Here she understood herself better. Here, being alone wasn't quite so hard. There was a knock at the door, or was it on the radio?
Aufs Land wollte sie nicht mehr. Hier, in dieser Stadt, sprach man mittlerweile vier Sprachen, an Himmelsrichtungen ausgerichtet. Man ließ Gott, trotz der Liebe zu ihm, einen guten Mann sein, über Sektorengrenzen hinweg. Sie schaute auf den Wäscheberg und machte sich daran ihn in die kleine Kommode zu räumen. Es klopfte erneut. Diesmal nahm sie es bewusst wahr. Es kam von der Tür. Der Moderator dort im Radio zitierte gerade Einstein. Was? Gedanken flogen die Zeit zurück, zurück auf die Insel:
" Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzens kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast".
She didn't want to go back to the countryside. Here, in this city, four languages were spoken, oriented towards the cardinal directions. Despite their love for him, they let God be a good man, across sector boundaries. She looked at the pile of laundry and started putting it away in the small dresser. There was another knock. This time, she consciously registered it. It came from the door. The radio host was quoting Einstein. What? Thoughts flew back in time, back to the island: "A friend is someone who knows the song in your heart and can sing it back to you when you have forgotten the words."
An der ersten Insel wurde das Boot schon leerer. Sie grüßte einzelne Leute, die mit ihr auf ihrer Insel wohnten. Man fragte nach dem Befinden und unterhielt sich über den Tag, über das Wochenende. Man versprach sich zu besuchen. Schwer tuckerte der Motor und schob die Fähre immer weiter durch das dunkelschäumende Wasser. Gischt spritze auf. Die Menschen rückten zusammen und kauerten sich in ihre Gedanken. Der Abend brach herein und einzeln leuchteten schon die Lichter an beiden Ufern. Wie es ihrem Mann ging, wurde sie gefragt. Eigentlich war er wieder ganz der alte. Schlaganfall, Herzstillstand, doch noch nicht unter zu kriegen. Sie freute sich über ihren starken Mann und die Nachbarn freuten sich mit ihr. Und alles sank wieder in herbstliches Schweigen, aneinander gerückt.
At the first island, the boat was already emptying. She greeted individual people who lived with her on her island. They asked about each other's well-being and talked about the day, about the weekend. They promised to visit each other. The engine chugged heavily, pushing the ferry further and further through the dark, foaming water. Spray splashed up. People moved closer together and huddled in their thoughts. Evening fell, and lights began to twinkle one by one on both shores. She was asked how her husband was doing. He was actually quite his old self again. Stroke, cardiac arrest, but still not down for the count. She was happy about her strong husband, and the neighbors were happy with her. And everything sank back into autumnal silence, huddled together.
Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie öffnete. In ihrer Tür stand der Mann, der ihr das Tor zur Welt geöffnet und in seine Welt geschlossen hatte. Vor ihr stand der Mann, dem sie ihr Herz geöffnet und in selbiges geschlossen hatte. In diesem Moment fühlte sie, wie sehr er ihr gefehlt hatte. Ruhiger, als das Klopfen in ihrer Brust, begrüßte sie ihn in seiner Sprache. Er erwiderte den Gruß in ihrer und fortan schweigend sahen sie sich an. Er lächelte. Nach Unzeiten bot sie ihm Eintritt an. Sie ging in die Küche, machte Tee, während er sich die Fotos seiner Heimatstadt ansah, die auf dem Regal lagen. Er blieb. Bei Landsleuten kam er anfangs unter, bekam bei ihnen Arbeit und tat sich unter allen anderen hervor, da er beinahe perfekt das hiesige Idiom sprechen konnte. Damals war es drei Jahre her, als sie sich zum ersten Mal sahen. Zwei Jahre davon verstanden sie sich nur mäßig. Zwei Jahre davon war jeder mehr mit sich beschäftigt, als mit dem Partner. Ein Jahr in Einsamkeit ließ ihn über sich hinauswachsen. Er lernte von Schriftstellern, von Dichtern, Thomas Mann, Fontane. Es war fast lustig ihm zuzuhören, wenn er redete, denn seine Lehrer waren ja nun einmal nicht mehr die jüngsten. Im vierten Jahr heirateten sie. Den Ring hatte er aufbewahrt, in einem kleinen Lederbeutel um den Hals getragen, ließ dieser ihn nicht vergessen, wen er liebte. Auch das Kleid lag eines Morgens wieder auf ihrem Bette. Diesmal zog sie es an und trug es zum Altar. Der Pfarrer segnete sie und ihn und empfahl sie der Liebe des Herrn. Sie zogen von der kleinen Wohnung in das Obergeschoss der Stadtrandvilla und kamen dort gut zurecht. Freunde beider Mentalitäten gingen bei ihnen ein und aus. Sonntags morgens begleitete er sie in die Kirche, er hörte zu und kehrte, genau wie sie, für einen Moment in sich. Die Füße wusch er sich zu Hause. Sein Gebetskäppi nahm er ab und hielt es währenddessen liebevoll in der Hand. Die Andacht war die selbe. Wie damals, als sie sich kennen lernten, erzähle er viel von zu Hause. Ihm lag eine Fröhlichkeit inne, als hätte er gern seine Heimat verlassen und doch, im feinen Unterton hörte sie die Wehmut heraus. "Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzens kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast". Einstein war ein klugen Mann. Flugtickets waren schnell gekauft und ohne, dass er es ahnte, richtete sie alles ein, rief bei seiner Mutter an, die bereitete alles vor und so flogen sie eines Tages wieder in die große Stadt am Meer, seine Heimat. Er vermutete es als Besuch seiner Familie bis er sie nach den Rückflugtickets fragte, doch die hatte sie nicht.
Her heart almost stopped when she opened the door. There he stood, the man who had opened the gate to the world for her and closed it to his own. Before her stood the man to whom she had opened her heart and closed it in the same. In that moment, she felt how much she had missed him. Calmer than the pounding in her chest, she greeted him in his language. He returned the greeting in hers, and they looked at each other in silence. He smiled. After a while, she invited him in. She went to the kitchen and made tea while he looked at the photos of his hometown that were lying on the shelf. He stayed. He initially found lodging with fellow countrymen and got work with them, standing out from all the others because he could speak the local idiom almost perfectly. It had been three years since they first met. For two of those years, they understood each other only moderately well. For two years, each was more preoccupied with themselves than with their partner. A year of loneliness made him grow beyond himself. He learned from writers, from poets, Thomas Mann, Fontane. It was almost funny to listen to him talk, because his teachers were, after all, no longer the youngest. In the fourth year, they got married. He had kept the ring, worn around his neck in a small leather pouch, it wouldn't let him forget whom he loved. One morning, the dress was lying on her bed again. This time she put it on and wore it to the altar. The priest blessed them both and commended them to the love of the Lord. They moved from the small apartment to the upper floor of the villa on the outskirts of town and got along well there. Friends of both mentalities came and went. On Sunday mornings, he accompanied her to church, he listened and, just like her, turned inward for a moment. He washed his feet at home. He took off his prayer cap and held it lovingly in his hand during the process. The devotion was the same. As when they first met, he talked a lot about home. There was a cheerfulness about him, as if he had gladly left his homeland, and yet, in the subtle undertone, she heard the melancholy. "A friend is someone who knows the song in your heart and can sing it back to you when you have forgotten the words." Einstein was a smart man. Plane tickets were quickly bought, and without him knowing, she arranged everything, called his mother, who prepared everything, and so one day they flew back to the big city by the sea, his home. He thought it was a visit to his family until he asked her about the return tickets, but she didn't have any.
Da stand er. Sie war sich nicht sicher, ob er sie sah, zumindest schaute er in ihre Richtung. Am Geländer des kleinen Piers hielt er sich fest und schaute. Ihr Mann, ihr Herz klopfte und ihre Gedanken, die Gedanken, die sie während der ganzen Überfahrt hatte, überschlugen sich. Liebe! Immer näher schob sich die Fähre durch die Wellen an den Pier.
There he stood. She wasn't sure if he saw her, at least he was looking in her direction. He held on to the railing of the small pier and watched. Her husband, her heart pounded, and her thoughts, the thoughts she had had during the entire crossing, raced. Love! Closer and closer, the ferry pushed through the waves towards the pier.
Das Haus, man merkte, dass es verlassen war. Der Garten war ein wenig ungepflegt. Die Balustrade auf seiner, ihrer Terrasse könnte einen neuen Anstrich vertragen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Diesmal würde sie gewinnen. Diesmal würde sie nicht aufgeben und sich von Heimweh packen lassen. Er werkelte und baute an dem Haus, reparierte, strich die Fassade neu, ölte die Torscharniere. Sie machte sich am Garten zu schaffen, pflanzte Olivenbäume, rupfte Unkraut, goss und machte alles wieder ansehnlich. Wieder kam Besuch, Freunde, Bekannte, Familien. Diesmal hatte sie Teil an den Gesprächen, sie verstand. Freitags ging sie mit ihrem Mann in die Moschee, band sich ein Tuch um den Kopf und betete mit ihm. Die Andacht war die selbe. Die alljährlichen Fastenmonate stand sie mit ihm durch. Feiertage wurde gemeinsam begangen, denn ihre Götter waren sich nun nicht mehr fremd. Sie fand Arbeit in der Stadt. Seit über einem Vierteljahrhundert ging sie tagtäglich nun also hinunter zum kleinen Hafen ihrer Insel und begab sich mit ihren wenigen Nachbarn ans Festland. Sie war angesehen auf ihrer Insel. Fischer hatten Ehrfurcht vor ihr und luden sie auf einen Tee ein, um ihren Geschichten aus der Heimat zu lauschen. In der Firma wurde sie die Anführerin genannt. Sie wurde als eine von ihnen geachtet. Dem Schlaganfall folgte Parkinson. Sie umsorgte ihren Mann, wenn sie heimkam und ging mit ihm spazieren, erzählte von der Arbeit. Er hörte aufmerksam zu, gab ihr Ratschläge, wo sie vonnöten waren. Auch an ihr, hinterließ die Zeit ihre Spuren, doch ihrer beiden Seelen waren jung geblieben. Sie scherzten abends. Wie junge Leute schmusten sie, saßen gemeinsam auf der dunklen Bank und redeten.
The house, you could tell it was abandoned. The garden was a little neglected. The balustrade on his, their terrace could use a new coat of paint. A smile flitted across her face. This time she would win. This time she wouldn't give up and let homesickness get the better of her. He worked and built on the house, repaired, repainted the facade, oiled the gate hinges. She worked on the garden, planted olive trees, pulled weeds, watered and made everything look presentable again. Visitors came again, friends, acquaintances, families. This time she participated in the conversations, she understood. On Fridays, she went to the mosque with her husband, tied a cloth around her head and prayed with him. The devotion was the same. She stood by him during the annual fasting months. Holidays were celebrated together, because their gods were no longer strangers to each other. She found work in the city. For over a quarter of a century now, she had been going down to the small harbor of her island every day and taking the ferry to the mainland with her few neighbors. She was respected on her island. Fishermen had reverence for her and invited her for tea to listen to her stories from home. At the company, she was called the leader. She was respected as one of them. The stroke was followed by Parkinson's. She cared for her husband when she came home and went for walks with him, told him about work. He listened attentively, gave her advice where it was needed. Time left its mark on her too, but their two souls had remained young. They joked in the evenings. Like young people, they cuddled, sat together on the dark bench and talked.
Die Fähre stieß an den Pier. Ein leichtes Rucken ging durch die Körper auf dem Schiff. Einige machten sich schon auf. Sie konnten die Ruhe der Insel kaum erwarten. Auch sie stand nun auf, ging zur Reling ohne ihren Mann aus den Augen zu lassen. Jener hatte sie schon entdeckt. Ein jugendliches Lächeln huschte über seine Lippen und grub sich in die Falten seiner Augenlider. Langsam, unendlich langsam hob er einen Arm zum Gruß. Sie stieg aus, lief auf ihn zu. Ihre Hände fanden sich und er zog sie an sich heran. Ein Kuss, so zitternd, so hilflos, und doch so zeitlos schön. Durch die Wolken brachen Strahlen und eine tiefrote Sonne zeigte für die letzten Minuten des Tages doch noch ihre herbstliche Schönheit. Langsam, Hand in Hand, gingen beide, wie jeden Tag nach Hause. Würden sich, wenn die Sonne untergegangen war, auf ihre Terrasse setzten und Masala Chai trinken.
The ferry bumped against the pier. A slight jolt went through the bodies on the ship. Some were already getting up. They could hardly wait for the peace and quiet of the island. She, too, stood up now, went to the railing without taking her eyes off her husband. He had already spotted her. A youthful smile flitted across his lips and etched itself into the wrinkles around his eyelids. Slowly, infinitely slowly, he raised an arm in greeting. She got off, ran towards him. Their hands found each other and he pulled her close. A kiss, so trembling, so helpless, and yet so timelessly beautiful. Rays broke through the clouds, and a deep red sun revealed its autumnal beauty for the last few minutes of the day. Slowly, hand in hand, they walked home, as they did every day. They would sit on their terrace and drink Masala Chai when the sun had set.
Wenn je ein Tag vorbeigeht, an dem ich nicht sage: "Ich liebe dich!", so wisse immer, dass ich es doch tue.
If a day ever goes by when I don't say, "I love you!", always know that I do.
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